Also träumt ich Morgenröte
Blitzt ins Auge durch den Baum.
Sag, Poete, sag, Prophete!
Was bedeutet dieser Traum?

(Goethe)

Goethe Gedichte

Bekannte und unbekannte Goethe Gedichte. Liebesgedichte, Trauergedichte, Festgedichte, Faustgedichte des bekannten deutschen Dichters und Naturforschers. Lange und kurze Verse, Sprüche und Reimgedichte.

Auf dem See

Und frische Nahrung, neues Blut
Saug’ ich aus freier Welt;
Wie ist Natur so hold und gut,
Die mich am Busen hält!
Die Welle wieget unsern Kahn
Im Rudertakt hinauf,
Und Berge, wolkig himmelan,
Begegnen unserm Lauf.

 Aug’, mein Aug’, was sinkst du nieder?
Goldne Träume kommt ihr wieder?
Weg, du Traum! so Gold du bist;
Hier auch Lieb’ und Leben ist.

Auf der Welle blinken
Tausend schwebende Sterne,
Weiche Nebel trinken
Rings die türmende Ferne;
Morgenwind umflügelt
Die beschattete Bucht,
Und im See bespiegelt
Sich die reifende Frucht.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Quelle: Ausgabe letzter Hand, 1827; Lieder.

Die schöne Nacht

Nun verlaß ich diese Hütte,
Meiner Liebsten Aufenthalt,
Wandle mit verhülltem Schritte
Durch den öden, finstern Wald:
Luna bricht durch Busch und Eichen,
Zephyr meldet ihren Lauf,
Und die Birken streun mit Neigen
Ihr den süßten Weihrauch auf.

Wie ergetz ich mich im Kühlen
Dieser schönen Sommernacht!
O wie still ist hier zu fühlen,
Was die Seele glücklich macht!
Läßt sich kaum die Wonne fassen;
Und doch wollt ich, Himmel, dir
Tausend solcher Nächte lassen,
Gäb mein Mädchen eine mir.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Quelle: Ausgabe letzter Hand, 1827; Lieder.

Wanderlied

Von dem Berge zu den Hügeln,
Niederab das Tal entlang,
Da erklingt es wie von Flügeln,
Da bewegt sich's wie Gesang;
Und dem unbedingten Triebe
Folget Freude, folget Rat;
Und dein Streben, sei's in Liebe,
Und dein Leben sei die Tat!

Denn die Bande sind zerrissen,
Das Vertrauen ist verletzt;
Kann ich sagen, kann ich wissen,
Welchem Zufall ausgesetzt
Ich nun scheiden, ich nun wandern,
Wie die Witwe, trauervoll,
Statt dem einen, mit dem andern
Fort und fort mich wenden soll!

Bleibe nicht am Boden heften,
Frisch gewagt und frisch hinaus!
Kopf und Arm mit heitern Kräften,
Überall sind sie zu Haus;
Wo wir uns der Sonne freuen,
Sind wir jede Sorge los;
Daß wir uns in ihr zerstreuen,
Darum ist die Welt so groß.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Goethe, Gedichte, Ausgabe letzter Hand, 1827; Lyrisches.

Aussöhnung

Die Leidenschaft bringt Leiden! – Wer beschwichtigt
Beklommnes Herz, das allzuviel verloren?
Wo sind die Stunden, überschnell verflüchtigt?
Vergebens war das Schönste dir erkoren!
Trüb ist der Geist, verworren das Beginnen;
Die hehre Welt, wie schwindet sie den Sinnen!

Da schwebt hervor Musik mit Engelschwingen,
Verflicht zu Millionen Tön um Töne,
Des Menschen Wesen durch und durch zu dringen,
Zu überfüllen ihn mit ew'ger Schöne:
Das Auge netzt sich, fühlt im höhern Sehnen
Den Götterwert der Töne wie der Tränen.

Und so das Herz erleichtert merkt behende,
Daß es noch lebt und schlägt und möchte schlagen,
Zum reinsten Dank der überreichen Spende
Sich selbst erwidernd willig darzutragen.
Da fühlte sich – o daß es ewig bliebe! –
Das Doppelglück der Töne wie der Liebe.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Quelle: Ausgabe letzter Hand, 1827; Lyrisches, Trilogie der Leidenschaft, Elegie.

Meeresstille

Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche ringsumher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuern Weite
Reget keine Welle sich.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Quelle: Ausgabe letzter Hand, 1827; Lieder.

Mit einem gemalten Band

Kleine Blumen, kleine Blätter
Streuen mir mit leichter Hand
Gute junge Frühlings-Götter
Tändelnd auf ein luftig Band.

Zephir, nimms auf deine Flügel,
Schlings um meiner Liebsten Kleid!
Und so tritt sie vor den Spiegel
All in ihrer Munterkeit.

Sieht mit Rosen sich umgeben,
Selbst wie eine Rose jung.
Einen Blick, geliebtes Leben!
Und ich bin belohnt genung.

Fühle, was dies Herz empfindet
Reiche frei mir deine Hand,
Und das Band, das uns verbindet,
Sei kein schwaches Rosenband!

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Goethe, Gedichte, Ausgabe letzter Hand, 1827; Lieder.

Gegentoast der Schwestern

Unser Dank, und wenn auch trutzig,
Grüßend alle lieben Gäste,
Mache keinen Frohen stutzig:
Denn wir feiern eure Feste.

Sollten aber wir, die Frauen,
Dankbar solche Brüder preisen,
Die, ins Innere zu schauen,
Immer uns zur Seite weisen?

Doch Amalien, der hehren,
Die auch euch verklärt erscheinet,
Sprechend, singend ihr zu Ehren
Sind wir doch mit euch vereinet.

Und indem wir eure Lieder
Denken keineswegs zu stören,
Fragen alle sich die Brüder,
Was sie ohne Schwestern wären.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Goethe, Gedichte, Ausgabe letzter Hand, 1827; Loge, Verschwiegenheit.

An den Mond

Schwester von dem ersten Licht,
Bild der Zärtlichkeit in Trauer!
Nebel schwimmt mit Silberschauer
Um dein reizendes Gesicht;
Deines leisen Fußes Lauf
Weckt aus tagverschloßnen Höhlen
Traurig abgeschiedne Seelen,
Mich und nächt'ge Vögel auf.

Forschend übersieht dein Blick
Eine großgemeßne Weite.
Hebe mich an deine Seite!
Gib der Schwärmerei dies Glück;
Und in wollustvoller Ruh
Säh der weitverschlagne Ritter
Durch das gläserne Gegitter
Seines Mädchens Nächten zu.

Dämmrung, wo die Wollust thront,
Schwimmt um ihre runden Glieder.
Trunken sinkt mein Blick hernieder.
Was verhüllt man wohl dem Mond?
Doch was das für Wünsche sind!
Voll Begierde zu genießen,
So da droben hängen müssen;
Ei, da schieltest du dich blind.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Goethe, Gedichte. Nachlese, neue Lieder.

Süsse Sorgen

Weichet, Sorgen, von mir! – Doch ach! den sterblichen Menschen
Lässet die Sorge nicht los, eh ihn das Leben verläßt.
Soll es einmal denn sein, so kommt ihr, Sorgen der Liebe,
Treibt die Geschwister hinaus, nehmt und behauptet mein Herz!

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Goethe, Gedichte, Ausgabe letzter Hand, 1827; Vermischte Gedichte.

Nähe

Wie du mir oft, geliebtes Kind,
Ich weiß nicht wie, so fremde bist,
Wenn wir im Schwarm der vielen Menschen sind,
Das schlägt mir alle Freude nieder.
Doch ja, wenn alles still und finster um uns ist,
Erkenn ich dich an deinen Küssen wieder

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Müde war ich geworden

Müde war ich geworden, nur immer Gemälde zu sehen,
Herrliche Schätze der Kunst, wie sie Venedig bewahrt.
Denn auch dieser Genuß verlangt Erholung und Muße;
Nach lebendigem Reiz suchte mein schmachtender Blick.
Gauklerin! da ersah ich in dir zu den Bübchen das Urbild,
Wie sie Johannes Bellin reizend mit Flügeln gemalt,
Wie sie Paul Veronese mit Bechern dem Bräutigam sendet,
Dessen Gäste, getäuscht, Wasser genießen für Wein.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Goethe, Gedichte, Ausgabe letzter Hand, 1827, Epigramme Venedig 1790.

Liebesgedichte

Der Besuch

Meine Liebste wollt ich heut beschleichen,
Aber ihre Türe war verschlossen,
Hab ich doch den Schlüssel in der Tasche!
Öffn ich leise die geliebte Türe!

Auf dem Saale fand ich nicht das Mädchen,
Fand das Mädchen nicht in ihrer Stube;
Endlich, da ich leis die Kammer öffne,
Find ich sie, gar zierlich eingeschlafen,
Angekleidet, auf dem Sofa liegen.

Bei der Arbeit war sie eingeschlafen:
Das Gestrickte mit den Nadeln ruhte
Zwischen den gefaltnen zarten Händen;
Und ich setzte mich an ihre Seite,
Ging bei mir zu Rat, ob ich sie weckte.

Da betrachtet ich den schönen Frieden,
Der auf ihren Augenlidern ruhte;
Auf den Lippen war die stille Treue,
Auf den Wangen Lieblichkeit zu Hause;
Und die Unschuld eines guten Herzens
Regte sich im Busen hin und wieder.
Jedes ihrer Glieder lag gefällig,
Aufgelöst vom süßen Götterbalsam.

Freudig saß ich da, und die Betrachtung
Hielte die Begierde, sie zu wecken,
Mit geheimen Banden fest und fester.

O du Liebe, dacht ich, kann der Schlummer,
Der Verräter jedes falschen Zuges,
Kann er dir nicht schaden, nichts entdecken,
Was des Freundes zarte Meinung störte?

Deine holden Augen sind geschlossen,
Die mich offen schon allein bezaubern;
Es bewegen deine süßen Lippen
Weder sich zur Rede noch zum Kusse;
Aufgelöst sind diese Zauberbande
Deiner Arme, die mich sonst umschlingen,
Und die Hand, die reizende Gefährtin
Süßer Schmeicheleien, unbeweglich.
Wärs ein Irrtum, wie ich von dir denke,

Wär es Selbstbetrug, wie ich dich liebe,
Müßt ichs jetzt entdecken, da sich Amor
Ohne Binde neben mich gestellet.

Lange saß ich so und freute herzlich
Ihres Wertes mich und meiner Liebe;
Schlafend hatte sie mir so gefallen,
Daß ich mich nicht traute, sie zu wecken.

Leise leg ich ihr zwei Pomeranzen
Und zwei Rosen auf das Tischchen nieder;
Sachte, sachte schleich ich meiner Wege.
Öffnet sie die Augen, meine Gute,
Gleich erblickt sie diese bunte Gabe,
Staunt, wie immer bei verschloßnen Türen
Dieses freundliche Geschenk sich finde.

Seh ich diese Nacht den Engel wieder,
O wie freut sie sich, vergilt mir doppelt
Dieses Opfer meiner zarten Liebe.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Goethe, Gedichte, Ausgabe letzter Hand, 1827; Vermischte Gedichte.

Jetzt fühlt der Engel

Jetzt fühlt der Engel, was ich fühle.
Ihr Herz gewann ich mir beim Spiele,
Und sie ist nun von Herzen mein.
Du gabst mir, Schicksal, diese Freude,
Nun laß auch Morgen sein wie Heute
Und lehr mich ihrer würdig sein.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Liebesbedürfnis

Wer vernimmt mich? ach, wem soll ichs klagen?
Wers vernähme, würd er mich bedauern?
Ach, die Lippe, die so manche Freude
Sonst genossen hat und sonst gegeben,
Ist gespalten, und sie schmerzt erbärmlich.
Und sie ist nicht etwa wund geworden,
Weil die Liebste mich zu wild ergriffen,
Hold mich angebissen, daß sie fester
Sich des Freunds versichernd ihn genösse:
Nein, das zarte Lippchen ist gesprungen,
Weil nun über Reif und Frost die Winde
Spitz und scharf und lieblos mir begegnen.

Und nun soll mir Saft der edlen Traube,
Mit dem Saft der Bienen bei dem Feuer
Meines Herds verenigt, Lindrung schaffen.
Ach, was will das helfen, mischt die Liebe
Nicht ein Tröpfchen ihres Balsams drunter?

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Goethe, Gedichte, Ausgabe letzter Hand, 1827; Vermischte Gedichte.

Unter welchem Himmelszeichen

Sprich! unter welchem Himmelszeichen
Der Tag liegt,
Wo mein Herz, das doch mein eigen,
Nicht mehr wegfliegt?
Und, wenn es flöge, zum Erreichen
Mir ganz nah liegt? -
Auf dem Polster, dem süssen, dem weichen,
Wo mein Herz an ihrem liegt.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Gruss

O wie selig ward mir!
Im Lande wandl ich,
Wo Hudhud über den Weg läuft.
Des alten Meeres Muscheln,
Im Stein suche ich die versteinerten;
Hudhud lief einher,
Die Krone entfaltend,
Stolzierte, neckischer Art,
Über das Tote scherzend,
Der Lebendge.
Hudhud, sagt ich, fürwahr!
Ein schöner Vogel bist du.
Eile doch, Wiedehopf!
Eile, der Geliebten
Zu verkünden, daß ich ihr
Ewig angehöre.
Hast du doch auch
Zwischen Salomo
Und Sabas Königin
Ehemals den Kuppler gemacht.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Gedichte zum Geburtstag

Die Jahre nehmen dir

"Die Jahre nahmen dir, du sagst, so vieles:
Die eigentliche Lust des Sinnespieles,
Erinnerung des allerliebsten Tandes
Von gestern, weit und breiten Landes
Durchschweifen frommt nicht mehr; selbst nicht von oben
Der Ehren anerkannte Zier, das Loben,
Erfreulich sonst. Aus eignem Tun Behagen
Quillt nicht mehr auf, dir fehlt ein dreistes Wagen!
Nun wüßt' ich nicht, was dir Besonder's bliebe?"
Mir bleibt genug! Es bleibt Idee und Liebe!

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Goethe, Gedichte, West-östlicher Divan; Buch der Betrachtungen.

Im Atemholen sind zweierlei Gnaden

Im Atemholen sind zweierlei Gnaden:
Die Luft einziehen, sich ihrer entladen;
Jenes bedrängt, dieses erfrischt;
So wunderbar ist das Leben gemischt.
Du danke Gott, wenn er dich preßt,
Und dank ihm, wenn er dich wieder entläßt.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Goethe, Gedichte, West-östlicher Divan; Buch des Sängers.

Verzweifeln

Ja, schelte nur und fluche fort,
Es wird sich Bessres nie ergeben;
Denn Trost ist ein absurdes Wort.
Wer nicht verzweifeln kann, der muss nicht leben.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Goethe, Gedichte, Ausgabe letzter Hand, 1827; Sprichwörtlich.

Die Jahre

Die Jahre sind allerliebste Leut:
Sie brachten gestern, sie bringen heut,
Und so verbringen wir Jüngern eben
Das allerliebste Schlaraffenleben.
Und dann fällt's den Jahren auf einmal ein,
Nicht mehr wie sonst bequem zu sein,
Wollen nicht mehr schenken, wollen nicht mehr borgen
Sie nehmen heute, sie nehmen morgen.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Goethe, Gedichte, Ausgabe letzter Hand, 1827; Epigrammatisch, entst. 1812-1814.

Das Alter

Das Alter ist ein höflich' Mann:
Einmal übers andre klopft er an;
Aber nun sagt niemand: Herein!
Und vor der Türe will er nicht sein.
Da klinkt er auf, tritt ein so schnell,
Und nun heißt's, er sei ein grober Gesell.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher)

Goethe, Gedichte, Ausgabe letzter Hand, 1827; das Alter 1815.

Goethe Kindergedichte

Schöne bekannte und unbekannte Goethe Gedichte, für grosse und kleine Kinder, für die Schule oder einfach so.

Goethe Gedichte

Eine Auswahl der wichtigsten Gedichte von Johann Wolfgang Goethe.

Goethe im Deutschunterricht

Lernhelfer, Schülerlexikon.

Goethes Lyrik Wikipedia

Wissenswertes auf der freien Enzyklopädie.

Bücher Tipps

Goethe für Kinder




Goethe Gedichte Reclam




Praktische Schulter & Brusttasche




Schöner Pullover in vielen Farben

nach oben